Erscheinungsform Farbe
Das Licht ist die Basis der Farbe die als Strahlenenergie energetisch auf den Menschen einwirkt. Das Licht und dessen Bewegung ist die Grundstruktur alles Lebendigen - so auch der Farbe. Licht ruft nicht allein Farbe hervor sondern ist selbst Farbe. Jede Farbe hat ihre spezifische Strahlenenergie, Dynamik und Sprache.
Das Reich der Farben besteht im Wechsel von Licht und Finsternis. Aus diesem Wissen heraus erklären wir die Wirkung zwischen Licht und Farbe. In der physikalischen Welt gibt es lediglich Materie und Energie. Beide sind farblos. Energiestrahlen sind elektromagnetische Schwingungen, Wellen, Reize, die von den Sinnesorganen, sowie von anderen sensorischen Rezeptoren, wie Nerven, Hautzellen und feinstofflichen Energiezentren (z.B. Akupunkturpunkten und Chakren) registriert und weiter ausgewertet werden. Die Farbwahrnehmung, so wie wir sie vom heutigen Wissensstand her kennen, wird vom Auge an das Gehirn weitergeleitet. Farbe kann nicht ertastet werden, sie wird ausschliesslich über den Sehvorgang wahrgenommen und im Gehirn weiter bearbeitet und interpretiert. Das Auge ist fähig, ein sehr komplexes Korrelat von Farbwahrnehmungen miteinander zu vereinigen. Es nimmt die Farben selektiv als auch simultan, bzw. gesamtheitlich wahr und sieht Gegensätze, Harmonien, Disharmonien, Aktivitäten und Passivitäten, gleichzeitig und miteinander und kann die unterschiedlichsten Farbinformationen zu einem Gesamteindruck zusammenfassen. Das Auge ist das Empfangssystem, die Antenne der aufzunehmenden Reize die durch die Öffnung der Iris auf die Sehzellen der Netzhaut fallen. Die Empfängerzellen, bzw. die Sehzellen, die als Zäpfchen und Stäbchen bekannt sind, sehen weder Licht noch Farbe; es sind Quantensammler die anhand des Reizes einen elektromagnetischen Impuls an das Gehirn weitergeben. Im Gehirn werden diese Impulse in die eigentliche Farbwahrnehmung umgesetzt. Wie jedoch die Umsetzung von einem Impuls zu einem Farbbild geschieht ist unbekannt. Ein noch gößeres Mysterium ist die Metamorphose einer Farbwahrnehmung in eine Farbempfindung. Ausserdem erhalten wir durch visuelle Reize nicht allein auf die Farbe beschränkte Informationen. Bei der Wahrnehmung entsteht ein Kodierungsablauf der uns über nicht farbspezifische Eigenschaften der Farbe informiert. Wir erfahren z.B. durch die Farbe ob eine Frucht reif oder unreif, essbar oder giftig, frisch oder verdorben, ist.
Beschränken wir uns vorläufig auf die physikalische Farbwahrnehmung. Fällt Tages oder Kunstlicht auf Materialien von ganz unterschiedlicher Textur, wird die Farbe teilweise absorbiert (verschluckt), reflektiert (zurückgeworfen), oder transmittiert (durchgelassen). Jedes Material hat seine ganz spezifische Remissions- bzw. Absorbtionsfähigkeit. Je nach Beschaffenheit und molekularer Struktur des Materials wird ein gewisser Anteil des auffallenden Lichts absorbiert, der Restanteil reflektiert. Im Extremfall kann die Strahlung insgesamt absorbiert ( bei Schwarz), oder gänzlich reflektiert ( bei Weiss), werden. Der vom Auge wahrgenommene, elektromagnetische Impuls, ist dieses Restlicht, das die Information der Farbe vermittelt. Die vom Gegenstand reflektierte Farbe wird Körperfarbe genannt. Die Reflexion der Körperfarbe richtet sich nach der Intensität der Lichtquelle. Bei einer ausreichenden Beleuchtung erscheint ein grelles Rot in seiner ganzen Intensität. Bei einer ungenügender Beleuchtung, zum Beispiel bei Dämmerlicht, erscheint uns das gleiche Rot eher bräunlich. Allein die Assoziation und der Erfahrungswert sagen uns, daß es sich um ein grelles Rot handelt.
Lichtstrahlen sind weder farbig noch transportieren sie Farben. Licht ist allein Träger von Information in Form eines elektromagnetischen Impulses. Licht ist für fast alle Lebewesen eine notwendige elementäre Energiequelle und von daher nicht allein Informationsträger. Weißes Licht ist nicht wie, man leicht vermutet, etwas Homogenes; weißes Licht ist heterogen (zusammengesetzt). Die Wahrnehmung von Weiß kommt zustande, wenn alle drei Zapfentypen in der Netzhaut gleichzeitig und mit entsprechender Intensität angesprochen werden. Die spektrale Zusammensetzung weißen Lichts kann durch ein brechendes Medium, zum Beispiel durch ein Glasprisma sichtbar gemacht werden. Die sichtbaren Energiestrahlen (das Spektrum) werden in Nanometern gemessen. Der vom Auge sichtbare Bereich bewegt sich zwischen 400 und 700 Nanometern, von der kürzesten Wellenschwingung von Violett, Blau, Blaugrün, Grün, Gelb, Orange bis zu Rot mit der längsten Schwingung. Grundlage für die Strahlenmessung (Farbmetrik) ist der Versuch Isaac Newtons (1643-1727). Der berühmt gewordene Versuch, einen Sonnenstrahl durch Prismenbrechung in seine farbigen spektralen Bestandteile zu zerlegen, führte zu der physikalischen Farbentheorie, die bis heute als Ausgangspunkt farbwissenschaftlicher Untersuchungen dient. Damit aber war auch der ganze mystische und mythische und symbolische Zauber der Farbe in ihrer Qualität und Wirkung auf den seelischen Bereich des Menschen entkleidet. Farbe wurde zum Objekt wissenschaftlicher Forschung, die sich für einzigartig exakt und kompetent hielt, weil sie dem Aufruf des Astronomen und Physikers Galilei (1564 -1642) folgte:" Meßt alles was meßbar ist und macht alles meßbar was sich dem noch entzieht." Die Farbe war als Wellenlänge messbar geworden.
André Bjerke weist in seinen Beiträgen zu Goethes Farbenlehre darauf hin, daß die registrierbaren und quantitativen, elektromagnetischen Wellenbewegungen, die angeblich unsere Farberlebnisse verursachen sollen, nicht mehr über die Farben aussagen als die Seitenzahlen in einem Buch. Die Farbe objektiviert sich einzig und allein durch die Wahrnehmung und wird so zur Wirklichkeit.
Rudolf Steiner schreibt in seinem Buch "Goethes Weltanschaungen - Das Licht stellt sich der Beobachtung dar, als das einfachste, homogenste, unzerlegteste Wesen, das wir kennen. Ihm entgegengesetzt ist die Finsternis. Für Goethe war Finsternis nicht die völlig kraftlose Abwesenheit des Lichtes.
Sie ist wirksam und stellt sich dem Licht entgegen und tritt mit ihr, in Wechselwirkung. Goethe stellte sich vor, daß Licht und Finsternis sich ähnlich zueinander verhalten, wie der Nord- und Südpol eines Magneten. Die Finsternis kann das Licht in seiner Wirkung schwächen. Umgekehrt kann das Licht die Energie der Finsternis beschränken. In beiden Fällen entsteht die Farbe. Eine physikalische Anschauung, die sich die Finsternis als das vollkommen Unwirksame denkt, kann von so einer Wechselwirkung nicht sprechen. Sie muß daher die Farbe allein aus dem Licht her leiten. Weil am Lichte sich die Farben entwickeln, also der Idee nach schon in demselben enthalten sein müssen, glaubt sie, sie seien auch tatsächlich materiell in demselben enthalten und werden durch das Prisma und die dunkle Umgebung hervorgeholt. Die Finsternis tritt ebenso in Erscheinung wie das Licht. Das Dunkle ist in denselben Sinne Wahrnehmungsinhalt wie das Helle. Das Eine ist nur der Gegensatz des Anderen. Das Auge das in die Nacht hinausblickt, vermittelt die reale Wahrnehmung der Finsternis. Wäre die Finsternis das absolute Nichts, so entstünde gar keine Wahrnehmung.Dieser bedeutsame Hinweis Rudolf Steiners verdeutlicht die unterschiedlichen Anschauungs-weisen Newtons und Goethes. Newton hatte einwandfrei die Zerlegung des farblosen Licht in die Farben bewiesen. Aber das Experiment, mit dem er umgekehrt die Synthese der Farben zur Summe Weiß darstellen wollte, war weniger überzeugend. Newton hatte dafür einen Kreisel konstruiert, eine Scheibe unterteilt in sieben Farbsegmente: die Größe jedes Segments entspricht dem Anteil jeder Farbe im Spektrum. Wenn man die Scheibe schnell dreht, vermischen sich die Einzelfarben zur Gesamtfarbe, es entsteht, nach Newtons Theorie, Weiß. Aber auf dem Farbkreisel entsteht Grau. Der Fehler liegt im technischen Verfahren: die Farben des immateriellen Lichts addieren sich zu Weiß. Die Mischung der Lichtfarben ist die additive Farbmischung, denn sie addiert die Lichtfarben. Newton konnte aber bei seinem Farbkreisel keine Lichtfarben verwenden, sondern mußte Malfarben verwenden. Die Malfarben und der Maluntergrund schlucken so viel Licht, daß bestenfalls ein helles Grau entsteht. Die Mischung von materiellen Farben, wie Malfarben, die aus Pigment und Bindemittel bestehen, nennt man subtraktive Farbmischung; denn jede weitere Farbe subtrahiert Licht und macht die Mischung dunkler. Goethe drehte also Newtons Farbkreisel und sah immer nur Grau. Er schrieb: "daß alle Farben zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität, die man nebst anderen Absurditäten schon ein Jahrhundert gläubig und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist." Für Goethe waren Gelb, Rot, Blau, die Ur- bzw. die Grundfarben, denn aus ihnen sind alle anderen Farben mischbar. Aus anderen Farben können Rot, Gelb und Blau nicht gemischt werden. Aber in der Farbmischung des Lichts gelten andere Gesetze. Hier sind Grün, Orange und Violett die Grundfarben. Denn grünes und violettes Licht ergibt Blau. Orange und grünes Licht wird zu Gelb. Violett und oranges Licht ergibt Rot. Alle drei Grundfarben bei der additiven Farbmischung ergeben das weiße Licht. Goethe konnte nicht glauben, daß die Farben des Lichts sich nach anderen Gesetzen mischen sollten als die Farben seines Aquarellkastens. Goethes Uneinsichtigkeit ist um so erstaunlicher, da sein Freund und Zeitgenosse Arthur Schopenhauer (1788-1860) in einer Schrift mit dem Titel "Farbenlehre" bereits im Jahre 1815 diese Zusammenhänge von additiver und subtraktiver Farbmischung grundsätzlich richtig darstellte. Trotzdem hat Goethe der an Newtons Strahlen nicht glauben mochte im wesentlichen recht behalten. Denn die Lichtstrahlen sind tatsächlich keine Farben, sondern lediglich Informationsräger. Farbe wird im eigentlichen Sinne erst existent und wirksam durch die Wahrnehmung und durch die Empfindung.
© Franz Immoos, Amsterdam 2009
Die Farben: